Ihre Anwältin aus Reutlingen

KONTAKT

07121 - 696 27 28

Rechtliche Grundlagen des Flugrechts

Allgemeine Informationen von Ihrer Anwältin

1. Hintergrund der Fluggastrechte

Dem Gesetzgeber war es wichtig, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste zu schaffen, denn der Verbraucherschutz im Flugbereich war vor Einführung dieser Gesetze nicht sehr ausgeprägt.

Die EU wollte mit der Fluggastrechteverordnung einen Ausgleich für die Ärgernisse schaffen, die die Unannehmlichkeiten wie Nichtbeförderung, Verspätungen und Annullierungen mit sich bringen. Dem Gesetzgeber war die Anzahl der Problemfälle schlicht zu hoch.

Flugzeug ist unterwegs vom Abflughafen man sieht die Flugroute

2. Geltungsbereich der EU-Fluggastrechte

Die EU Fluggastrechteverordnung regelt den Flugverkehr in der EU unter folgenden Rahmenbedingungen:

  • Flüge innerhalb der EU, die von einem Luftfahrtunternehmen aus der EU oder einem Nicht-EU-Land durchgeführt werden
  • Flüge aus einem Nicht-EU-Land in die EU, die von einer Fluggesellschaft aus der EU durchgeführt werden
  • Flüge aus der EU in ein Nicht-EU-Land, die von einer Fluggesellschaft aus der EU oder einem Nicht-EU-Land durchgeführt werden
  • Sie gelten immer dann, wenn noch keine Leistungen (Entschädigung, anderweitige Beförderung, Unterstützung durch die Fluggesellschaft) bei flugbedingten Problemen für dieselbe Reise nach den Rechtvorschriften eines Nicht-EU-Landes gewährt wurden
Trenner zu: woher weiß ich, welche Airline haftet?

3. Welche Airline haftet?

Verantwortlich ist immer die Fluggesellschaft, die Ihren Flug auch tatsächlich ausgeführt hat oder ausgeführt hätte (sofern Ihr Flug annulliert wurde) und nicht diejenige, bei der Sie Ihren Flug gebucht haben. Dabei gelten Hin- und Rückflug jeweils als zwei eigenständige Flüge, auch wenn sie zusammen gebucht werden. Bei Problemen kann nur das ausführende Luftfahrtunternehmen haftbar gemacht werden.

Zum besseren Verständnis ein Beispiel:

Sie haben bei Lufthansa einen Hin- und Rückflug von Stuttgart nach Hamburg gebucht. Ausgeführt hat den Hinflug Eurowings (Kürzel „EW“ auf Ihrem Flugticket) und den Rückflug Air France (Kürzel „AF“ auf Ihrem Ticket). Bei Problemen haftet für den Hinflug Eurowings und für den Rückflug Air France. Die Lufthansa kann in diesem Fall nicht haftbar gemacht werden. 

In Fällen, in denen eine Fluggesellschaft ein Flugzeug samt Besatzung von einer anderen Fluggesellschaft anmietet (sogenanntes „Wet-lease“), trägt die erstgenannte Fluggesellschaft die operationelle Verantwortung für den Flug und gilt als ausführendes Luftfahrtunternehmen gemäß den EU-Vorschriften (insbesondere der Verordnung 261/2004).

4. Außergewöhnliche Umstände

In welchen Fällen zahlt die Airline nicht?

Das Fluggastrecht kennt sogenannte „außergewöhnliche Umstände„. Falls Verspätungen und Ausfälle durch Unwetter, Vulkan­asche, Streik oder tech­nische Probleme an der Maschine verursacht wurden, können außergewöhnliche Umstände vorliegen. Die Airline muss bei der Prüfung des Entschä­digungs­anspruchs nachweisen, dass sie die das Ereignis weder beein­flussen noch vermei­den konnte. In diesem Fall erhalten die Passagiere keine Leistung.

Dies nachzuweisen fällt der Fluggesellschaft jedoch meist schwer.

Tatsächlich fällen die höchsten Gerichte immer wieder grund­sätzliche Entscheidungen zu der Frage, was außergewöhnliche Umstände sind und was nicht. Kann die Airline nicht nachweisen, dass sie keine Schuld trifft, gibt es eine Entschädigung. Sofernd die Fluggesellschaft Ihren Anspruch auf Entschädigung aufgrund eines angeblich außergewöhnlichen Umstandes ablehnt, prüfe ich gerne kostenlos Ihren Anspruch. Senden Sie mir dazu einfach Ihre Unterlagen.

Die Airline ist beweis­pflichtig

Oftmals vertrete ich Fluggäste vor Gericht, deren Fluggesell­schaft unter Hinweis auf außergewöhnliche Umstände eine Zahlung verweigert hat. Was viele nicht wissen: Die Airline muss diese Umstände belegen. Sie muss nicht nur den außergewöhnlichen Umstand – etwa: Flug­zeugschaden durch Vogel­schlag – nach­weisen, sondern auch, dass sie alles Zumut­bare getan hat, um den Passagier trotz der Widrigkeiten recht­zeitig ans Ziel zu bringen.

Gerade das gelingt vielen Air­lines aber oft nicht. So gewinnen Passagiere dann sogar Fälle, die auf den ersten Blick nicht erfolg­versprechend aussehen. Darum lohnt sich oft der Gang zum Anwalt, denn Compensation2Go, Airhelp oder Flightright & Co lehnen solche Fälle überwiegend wegen zu grossem Aufwand ab, wie die Stiftung Warentest erst kürzlich in einem Test dieser Inkassoportale bestätigte.

Als Ihre Anwältin prüfe ich für Sie risikolos Ihren Fall und Sie entscheiden nach meiner Beratung, ob ich Sie rechtlich vertreten soll. Senden Sie mir am besten gleich Ihre Unterlagen oder rufen Sie mich unter 07121 – 6 96 27 28 an.

Wann verjähren meine Ansprüche?

5. Verjährung

Innerhalb welcher Zeit muss ich meine Ansprüche gegenüber der Fluggesellschaft geltend machen?

Fluggastrechte können innerhalb von 3 Jahren geltend gemacht werden. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ende desjenigen Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, d.h. in dem der Flug stattgefunden hat. Beispiel: Ihr Flug hat am 23.05.2020 stattgefunden bzw. wurde annulliert: Hier beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des 31.12.2020. Aufgrund der 3-jährigen Verjährungsfrist können Sie folglich Ihren Anspruch bis spätestens 31.12.2023 geltend machen.

WICHTIG: Spätestens am letzten Tag der Verjährungsfrist muss der Anspruch – nach einer vorherigen Verzugsetzung – gerichtlich geltend gemacht werden. Dies erfolgt entweder durch Beantragung eines Mahnbescheids oder Einreichung einer Klage. Ein bloßes außergerichtliches Anschreiben/Mahnung reicht nicht, um die Verjährung zu unterbrechen.

6. Pauschalreise

Haben Sie Hotel und Flug im Rahmen einer sogenannten Pauschalreise gebucht, gelten auch hier die Fluggastrechte. Daneben können Ihnen weitere Ansprüche gegenüber Ihrem Reiseveranstalter zustehen. Wichtig: Pauschalreisende müssen Ihre Fluggastrechte gegenüber der ausführenden Fluggesellschaft und alle weiteren Ansprüche bei Ihrem Reiseveranstalter geltend machen.

Sofern Sie Hotel und Flug einzeln gebucht haben, haftet die Airline regelmäßig nicht für den daraus entstandenen Schaden (z.B. die Kosten für das Hotel). Hier sollten Sie die Stornierungsbedingungen Ihres Hotels prüfen. Ihnen bleiben jedoch die Ansprüche aus Flugausfall oder Flugverspätung gegen die ausführende Airline.

7. Arbeitsrecht / Urlaub

Wenn Ihr Arbeitgeber Ihren Urlaub genehmigt hat, Sie die Reise aber wegen einer Flugstornierung nicht antreten können oder konnten, kann ihr Arbeitgeber dennoch darauf bestehen, dass Sie Ihren Urlaub wie beantragt nehmen.

Er muss auf Ihre Reiseplanung keine Rücksicht nehmen, da er nicht für die individuelle Ausgestaltung Ihrer Urlaubsplanung verantwortlich ist.

Es empfiehlt sich daher, mit Ihrem Arbeitgeber zu sprechen und eine Lösung in gegenseitigem Einvernehmen zu suchen.

Anders ist es, wenn Sie am Urlaubsort in Quarantäne kommen oder nicht ausreisen dürfen, denn dann werden die verlängerten Urlaubstage nicht als Urlaub in Abzug gebracht. Wichtig ist hier, dass Sie soweit möglich den Vorgang dokumentieren und die offiziellen Mitteilungen zu Beweiszwecken sammeln.

8. Reisen vom Vereinigten Königreich in die EU

England ist nicht mehr in der EU, Pfeile zeigen von UK in die EU

Seit dem 1. Januar 2021 gelten die EU-Vorschriften über Fluggastrechte im Falle der Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung nicht mehr für Flüge aus dem Vereinigten Königreich in die EU, die von einem Luftfahrtunternehmen des Vereinigten Königreichs oder einer anderen Nicht-EU-Fluggesellschaft durchgeführt werden. Dies gilt auch, wenn der betreffende Flug vor diesem Datum gebucht worden ist. Die EU-Vorschriften gelten jedoch auch nach dem 1. Januar 2021 weiterhin für Flüge aus dem Vereinigten Königreich in die EU, die von einem EU-Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden, sofern nicht bereits nach britischem Recht Ausgleichs- oder Gegenleistungen gewährt wurden.

Unter der EU sind hier die 27 EU-Länder einschließlich Guadeloupe, Französisch-Guayana, Martinique, Réunion, Mayotte, Saint Martin (Französische Antillen), die Azoren, Madeira und die Kanarischen Inseln (jedoch nicht die Färöer) zu verstehen. Die EU-Vorschriften gelten auch für Flüge aus Island, Norwegen und der Schweiz sowie für Flüge in diese Länder.

9. Coronabedingte Herausforderungen im Flugrecht

9.1 Generell

Corona war und ist für alle, Passagiere und Fluggesellschaften, eine sehr große Belastung. Daher sind die Regelungen aufgrund der Pandemie recht ausgewogen gestaltet. Dennoch sind einzelne Maßnahmen seitens der Airlines immer im Einzelfall zu prüfen. Gut für Sie als Passagier: Sie können Ihre Rechte bis zu 3 Jahre rückwirkend geltend machen. Das heißt: Im Jahr 2022 können Sie noch Ansprüche aus dem Jahr 2019 durchsetzen.

Insbesondere die Rückerstattung der vollständigen Ticketkosten ist immer wieder eine Herausforderung, da viele Fluggesellschaften versuchen, Gebühren, Transaktionskosten etc. abzuziehen oder die Rückzahlung unnötig in die Länge ziehen.

9.2 Quarantäne

Wurde Ihnen Ihr Flug wegen Quarantänemaßnahmen verwehrt, z.B. weil eine Ein- bzw. Ausreisesperre verhängt wurde, haben Sie keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach der EU-Verordnung 261/2004. Den Flugpreis können Sie aber zurückfordern. Einen Anspruch auf eine Ersatzbeförderung gegen die Airline besteht hier nicht.

9.3 Einsparmaßnahmen

Viele Flüge wurden während der Pandemie gestrichen, um Kosten zu sparen. Dies sind keine „außergewöhnlichen Umstände“ im Sinne der EU-Fluggastverordnung. Daher lohnt sich hier immer ein genaueres Hinschauen und ggf. entstand auch hier ein Anspruch auf Ausgleichszahlung in Höhe von bis zu 600€ pro Person.

9.4 Reisen in Risikogebiete

Sofern eine offizielle Reisewarnung seitens der Bundesregierung bestand, kann sich die Airline in der Regel auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen und muss Ihnen keine Flugentschädigung bezahlen, allerdings haben Sie auch hier Anspruch auf vollständige Rückerstattung der Ticketkosten.

Anders sieht es aus, wenn Ihr Flug mehr als 3 Stunden Verspätung hatte oder annulliert wurde und die Airline sich darauf beruft, dass der Flug ein Risiko- oder Krisengebiet zum Ziel hatte und es deswegen Probleme gab. Hier machen wir für Sie sowohl die Ticketkosten als auch die Flugentschädigung in Höhe von bis zu 600€ pro Person geltend.

Einreiseverbote, wie z.B. das Einreiseverbot von Europäern nach China oder den USA, können den Fluggesellschaften regelmäßig nicht zur Last gelegt werden. Bei Ausfällen aus diesem Grund haben Sie daher meist keinen Anspruch auf Flugentschädigung. Sie können jedoch auch hier die vollständige Erstattung der Ticketkosten verlangen. 

10. Relevante Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)

Das Abkommen eines Flugzeuges vom Rollfeld ist kein außergewöhnlicher Umstand

Eine behördliche Einschränkung des Flugbetriebes ist kein außergewöhnlicher Umstand, wenn sie nicht selbst auf einem solchen beruht. So entschied das Amtgericht Köln in seinem Urteil 142 C 293/17

Die Kläger hatten bei der Fluggesellschaft einen Flug von Palma de Mallorca nach Köln-Bonn gebucht. Dieser kam erst mit 4-stündiger Verspätung am Ziel an, wofür die Passagiere eine Ausgleichszahlung gemäß der europäischen Fluggastrechteverordnung verlangten.

Die Fluggesellschaft berief sich auf außergewöhnliche Umstände auf dem Vorflug in Form einer Sperrung des Rollfeldes, nachdem ein Flugzeug davon abgekommen war und von der Grünfläche geborgen werden musste.

Das Amtsgericht Köln gab der Klage statt. Der Unfall, der zu der Verspätung geführt hatte, war kein außergewöhnlicher Umstand, da er eine Verwirklichung im Flugbetrieb üblicher Risiken darstellte. Damit war auch die behördliche Sperrung nicht außergewöhnlich. Die Airline musste den Klägern jeweils 250 € bezahlen.

EuGH stärkt Fluggastrechte gegen Nicht-EU-Luftfahrtunternehmen

Der EUGH hat im Rahmen seines Urteils vom 07.04.2022 (Akz.: C‑561/20) klargestellt, dass ein Fluggast wegen eines verspäteten Fluges auch einen Ausgleichsanspruch gegen ein Nicht-EU-Luftfahrtunternehmen haben kann. Mehr dazu auf der Website meiner Kanzlei.

Fluggastrechteverordnung für Flugverspätung, Flugannullierung und Flugverspätungen anwendbar

Die Fluggastrechteverordnung gilt dem Wortlaut nach nur für Flugausfälle und Überbuchung. Der EuGH hat jedoch klargestellt, dass dieselben Rechte auch bei „erheblichen Flugverspätungen“ gelten. (Urteil vom 19.11.2009 (C-402/07 und C-432/07)

Geringfügige Vorverlegung

Der BGH hat entschieden, dass eine „mehr als geringfügige Vorverlegung des Fluges“ eine Annullierung im Sinne der Fluggastrechteverordnung darstellt und daher ein Anspruch auf Ausgleichszahlung (Entschädigung) besteht. Urteil X ZR 59/14 vom 9.6.2015. Dem folgte auch der EuGH: Flugvorverlegung gilt als Annullierung.

Auch Kinder haben grundsätzlich Ansprüche, sofern für sie ein Ticket gekauft und bezahlt wurde.

Der BGH entschied am 17.3.2015 in seinem Urteil X ZR 35/14, dass kostenlose Mitnahmen von Kindern keine Ansprüche begründen. Interessant: Der Flug gilt auch als kostenlos, wenn das Kind einen Rabatt von 100 % bekommen hat.

Mein Tipp: Die Ansprüche bleiben jedoch bestehen, wenn für das Kind nur eine sehr geringe Gebühr entrichtet wurde. 

Schadensersatz wegen Verzögerungen bei der Sicherheitskontrolle

Findet der gebuchte Flug statt und erreicht der Fluggast den Flug wegen unangemessener Verzögerung bei der Sicherheitskontrolle nicht, können Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland bestehen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 27. Januar 2022 entschieden, dass dann, wenn ein Fluggast den Flug trotz rechtzeitiger Präsenz vor der Kontrollstelle infolge unangemessener langer Wartezeit vor der Sicherheitskontrolle wegen fehlendem Personals verpasst, Schadenersatz fordern kann.

Streik

Nicht jeder Streik ist ein außergewöhnlicher Umstand. Der EuGH hat in seinem Urteil C-22/11 vom 4.10.2012 aber klare Grenzen gesetzt: Eine Umorganisation des Flugplans aufgrund eines Streiks  ist kein außergewöhnlicher Umstand mehr. Oft versuchen die Fluggesellschaften, Streiks als außergewöhnliche Umstände zu deklarieren. Hier lohnt sich oft ein genauer Blick. 

Vogelschlag

Vogelschlag stellt laut Urteil des BGH X ZR 102/13 vom 16.9.2014 grundsätzlich erst mal einen außergewöhnlichen Umstand dar. Allerdings muss die Airline trotzdem alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die Verspätung zu vermeiden bzw. zu verkürzen, und dies auch nachweisen können, um keine Entschädigung nach der Fluggastrechteverordnung zahlen zu müssen. Hier lohnt meist der Blick eines Anwalts und ein energisches Nachhaken. Kontaktieren Sie mich dazu gerne.